Digitalisierung der technischen Dokumentation

Herausforderungen bei der Erstellung der technischen Dokumentation

Umfang der Dokumentation

Hersteller von Medizinprodukten müssen im Rahmen der Entwicklung eine umfangreiche technische Dokumentation (TD) erstellen, um den Nachweis der Konformität mit regulatorischen Anforderungen aus Gesetzen, Leitlinien und Standards zu erbringen.

Die TD besteht aus einer Vielzahl an unterschiedlichen Dokumenten, erstellt mit vielen einzelnen Informationen. Die Erstellung der TD und immer weiter steigende regulatorische Anforderungen führt u.a. dazu, dass Kosten und Zeit für die Entwicklung von Medizinprodukten massiv steigen. Hat der Hersteller nicht sauber dokumentiert, gibt es keine Marktzulassung. Das wird von einer Benannte Stelle geprüft*.

*Ausnahme: Klasse I Produkte mit geringem Risiko – hier kann der Hersteller in Europa selber die CE Konformität erklären.

Komplexität von Informationen

Vor allem die Komplexität der regulatorischen Anforderungen und die sich daraus ergebenden Zusammenhänge zwischen einzelnen Dokumenten und Informationen sind eine Herausforderung in der Praxis, welche ohne digitale Tools kaum möglich scheint (Der Mensch ist fehleranfällig…).

Diese Komplexität ergibt sich vor allem durch zwei Aspekte:

1) Prozesse

Dokumente der TD sind Ergebnisse von Prozessen, welche wiederum diverse Schnittstellen und Wechselwirkungen untereinander haben. Die Grafik unten beschreibt z.B. eine vereinfachte Übersicht der Schnittstellen zwischen den Prozessen Entwicklung, Risikomanagement und klinische Bewertung. Die Schnittstellen erfordern einen häufigen Austausch von Informationen zwischen unterschiedlichen Dokumenten.

2) Gesetze, Leitlinien und Standards 

Regulatorische Anforderungen aus Gesetzen, Leitlinien und Standards fordern teilweise dieselben Inhalte für unterschiedliche Dokumenten. So muss z.B. die Zweckbestimmung im Rahmen des Entwicklungsprozesses dokumentiert werden, sie wird aber genauso im Risikomanagement Plan, der Gebrauchstauglichkeitsakte und der klinischen Bewertung gefordert.

Komplexität managen: Wie schaffen Medizinproduktehersteller das in der Praxis?

„Wenn wir die Zukunft gestalten wollen, müssen wir vor allem verstehen, wie wir eine dynamische, komplexe Welt bewältigen.“

Matthias Horx, Zukunftsforscher

„Analoge“ Technische Dokumentation

Unter der „analogen“ technischen Dokumentation verstehen wir in dem Kontext des KU Konzepts Word, Excel oder PDF Dokumente, die zwar in Form eines digitalen Datenformats vorliegen, welche aber kein arbeiten mit einzelnen Informationseinheiten innerhalb dieser Dokumente erlauben.
Arbeitet ein Hersteller mit diesen Dateiformaten, beherrscht er die Komplexität von Informationen so, „wie wir das schon immer gemacht haben“:

  • Option A: „Copy & Paste“ von Inhalten
  • Option B: Referenzieren auf das Quelldokument (möglichst ohne Datum/Version, damit die Referenz immer ihre Gültigkeit behält).

Option A birgt die Gefahr der Inkonsistenz und des Stille-Post-Effekts, was im schlimmsten Fall zu einer Verzögerung der Zulassung oder eines Auditfindings führt. Spätestens bei Änderungen in der technischen Dokumentation ist die Rückverfolgbarkeit ein großes Problem.

Option B beseitigt das Risiko der Inkonsistenz, erschwert aber das Lesen und Verständnis des Inhalts. Schon länger hört man von vielen Herstellern, dass Prüfer der technischen Dokumentation und QM Auditoren häufig „Stand-alone“ Dokumente sehen möchten. Das kann jeder nachvollziehen, der die MDR im Detail lesen musste und sich durch den Wald an Referenzen gekämpft hat.

Aktuelle Dokumente der Medical Device Coordination Group (MDCG), welche Leitlinien für die Umsetzung der MDR und Best Practice Vorlagen veröffentlicht, deuten ebenfalls an, dass vollständig lesbare Dokumente erwartet werden. Das soll sicherlich das Prüfen von Dokumenten vereinfachen, erzeugt bei Herstellern, welche aber nicht vollständig digital arbeiten, leider einen enormen Zusatzaufwand.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele der regulatorischen Dokumente keine sauberen Definitionen verwenden bzw. Begriffe nicht konsistent verwenden. Dadurch entsteht oft ein Interpretationsspielraum, der dem Hersteller keine sinnvolle Freiheit lässt, sondern zu vollkommen unnötigen Diskussionen im Unternehmen, im Austausch mit anderen Unternehmen und bei der Kommunikation mit der Benannten Stelle führt.

Fazit: Die Komplexität von Informationen wird mit Word und Excel NICHT beherrscht.

Digitale technische Dokumentation

MDR und IVDR bieten die Chance, mit der digitalen Transformation der technischen Dokumentation den Aufwand für die Neuzulassung von Produkten und die Aktualisierung der technischen Dokumentation langfristig zu reduzieren.

Was bedeutet „digitale“ technische Dokumentation in der Praxis?

Die digitale Abbildung von Inhalten einer Dokumentation (Informationseinheiten) ist schon seit längerer Zeit möglich und wird bereits in vielen Branchen eingesetzt. Dazu gehört zum einen die Verwaltung von einzelnen Informationseinheiten inklusive Metadaten in Datenbanken und zum anderen die Möglichkeit, Dokumente digital freizugeben („elektronische Unterschrift“).

Entsprechende Software Lösungen sind ausgereift, in anderen Branchen breitflächig etabliert und bieten überwiegend die gleichen Funktionalitäten, wie z.B.

  • Zentrale Verwaltung von einzelnen Informationseinheiten
  • Verknüpfung von unterschiedlichen Informationseinheiten (Traceability)
  • Digitale Review und Freigabeprozesse
  • Audit Trail, um jederzeit Änderungen nachverfolgen zu können.

In der Medizintechnikbranche werden solche Lösungen noch nicht breitflächig eingesetzt. Einige Firmen arbeiten zwar schon länger mit solchen digitalen Tools, weitere haben in den letzten 2-3 Jahren mit der Implementierung begonnen und die Zahl deren, welche den Einsatz zumindest evaluiert, ist im letzten Jahr nochmal deutlich gestiegen. Viele Hersteller scheuen sich aber immer noch, die Digitalsierung der technischen Dokumentation anzugehen.

Bedenkenträger argumentieren: Der Aufwand scheint zu groß und der Nutzen nicht klar messbar.

Sind digitale Tools „DIE“ Lösung?

Haben die Bedenkträger Recht?
Stehen Kosten für Lizenzen und Implementierung und die Bindung von Kapazitäten der Mitarbeiter im Verhältnis zum Nutzen?

Die Herausforderung bei der Implementierung ist nicht die Auswahl eines Tools und das Kaufen von Lizenzen, sondern oft die Frage:

  1. Müssen die Prozesse im Unternehmen an das Tool angepasst werden, oder
  2. Muss das Tool an die Prozesse im Unternehmen angepasst werden?

Punkt a) resultiert aus dem Fakt, dass es auf dem Markt in den meisten Fällen keine Software gibt, welche exakt die Realität eines Unternehmens abbildet. Im Kern sind viel Prozesse ähnlich und das Gesamtergebnis der Entwicklung in Form der technischen Dokumentation entspricht der gleichen Struktur. ABER: Der Weg dahin und die Arbeitsweise sind häufig sehr unterschiedlich. Und so hängt der Nutzen einer Software vor allem von der erfolgreichen Implementierung ab.

Darum entscheiden sich viele Unternehmen für Option b) – eine umfangreiche Anpassung der Konfiguration und teilweise sehr kundenspezifische Erweiterungen. Das wiederum resultiert allerdings in längeren Implementierungsphasen. Wenn die Unternehmen realisieren, dass sie mit digitalen Lösungen ganz andere Möglichkeiten für Arbeitsablauf und Dokumentation haben, als mit Word/Excel, wird häufig die eigene Arbeitsweise hinterfragt („würden wir gerne anders machen, aber sind wir dann noch regulatorisch konform?“) und lange über das Datenmodell diskutiert.

Hat das Unternehmen die Implementierung erfolgreich geschafft, kommt die nächste Herausforderung: Wie kommt die Benannte Stelle bei QM Audits und der Prüfung der TD im Rahmen von Konformitätsbewertungen klar? Finden Sie auf Anhieb die relevanten Informationen und verstehen das Datenmodell hinter der Implementierung?

Fazit:
Ja, der Aufwand ist nicht zu unterschätzen.
Aber der Nutzen auch nicht: Die steigende Komplexität von Informationen kann beherrscht und Arbeitsabläufe vereinfacht werden!

Digitalisierung der technischen Dokumentation vereinfachen

Wir haben uns gefragt:

A) Wie kann der Aufwand für die Implementierung einer digitalen technischen Dokumentation verringert werden?

  • schneller
  • günstiger
  • geringere Bindung von Ressourcen

B) Wie kann der Nutzen einer digitalen technischen Dokumentation vergrößert werden?

  • schnellere Erstellung von Medizinprodukteakten
  • schnellere Aktualisierung der Akten
  • schnellere und fundierte Bewertung des Einflusses von Änderungen an der technischen Dokumentation
  • schnellere Zulassung von Medizinprodukten
  • Höhrere Akzeptanz bei Benannten Stellen

Unsere Erkenntnis:

Das lässt sich nur erreichen, wenn wir uns innerhalb der Branche auf ein einheitliches Datenmodell verständigen, welches sowohl von Herstellern als auch Benannten Stellen akzeptiert und gelebt werden kann.

Ein einheitliches Datenmodell mit klaren Zuordnungen und Strukturen von Informationen erlaubt, dass sich sowohl Hersteller als auch Benannte Stellen wieder auf relevante Inhalte fokussieren können, und ihre Zeit nicht mit Tätigkeiten verbringen müssen, welche keinerlei Wertschöpfung mit sich bringt.

Die Idee des Knowlegde Unit Konzepts war geboren.
Erfahren Sie hier mehr über Knowledge Units